14. Oktober 2010.
Wenn der Musikverein Merchingen von Freitag bis Sonntag, 15. bis 17. Oktober, sein Gründungsjubiläum mit einem großen Fest mit viel Musik feiert, so bedeutet das nicht, dass 1935, also vor 75 Jahren, in Merchingen das musikalische Leben überhaupt erst begann. Es gibt Überlieferungen, Zeitungsartikel und sogar Bilder, die bezeugen, dass es schon 1910 eine Streichkapelle in Merchingen gab.
Die Musikkapelle, die ihr 75-jähriges Bestehen feiert, ist eine Blaskapelle. Ihre Gründung geht auf das Wirken der Höpfinger Musiker Alois Seufert und Otto Dörr zurück. Als Arbeitslose wurden sie für Kost und Unterkunft und einen geringen Lohn bei Merchinger Bauern als Landarbeiter eingesetzt.
Altes Rathaus war Probelokal
Mit Trompete und Klarinette spielten sie auf offener Straße und bald auch sonntags und an Fastnacht Tanz- und Unterhaltungsmusik. Durch sie angeregt, wurde in Merchingern der Wunsch laut, eine Musikkapelle zu gründen. Vom damaligen Bürgermeister Heinrich Etzel, einem eifrigen Klavierspieler, bekamen sie Unterstützung. So entstand aus 17 Mitgliedern die Blaskapelle Merchingen. Die Instrumente bezahlte die Gemeinde. Probelokal war das alte Rathaus.
Alois Seufert und Otto Dörr waren Lehrer in Theorie und Praxis, Dirigenten und Vorsitzende zugleich. Auf dem Eschbachweg wurde das Marschieren zur Musik geübt. Anreiz zum Probenbesuch waren Most und von Mitglied Walter Senft gestiftete Laugenweck. Der heute 90-jährige ist das letzte noch lebende Gründungsmitglied.
Die Ausbildung machte dank der Begeisterung und dem Eifer der Musiker so gute Fortschritte, dass die Kapelle bereits an Ostern 1935 erstmals öffentlich auftreten konnte.
Als 1935 Alois Seufert und Otto Dörr Merchingen verließen, übernahm Gärtner Heinrich Hügel die Leitung der Blaskapelle und führte sie zu weiterem Erfolg.
Im Herbst 1935 machte Bürgermeister Heinrich Etzel die Kapelle zur Feuerwehrkapelle. Fortan spielte man bei Feuerwehrübungen Unterhaltungsmusik. Die Einberufung vieler Musiker zum Militärdienst und schließlich 1939 der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brachten die musikalische Arbeit zum Erliegen.
Es war 1947, als Heinrich Hügel und der damals in Merchingen lebende Musiklehrer Max Lange die Blaskapelle wieder ins Leben riefen und die Gründung eines Musikvereins anregten mit dem Ziel, dem Blasmusikverband Odenwald-Bauland beizutreten.
Die Leitung der 22 Mitglieder übernahm Heinrich Hügel. Vorsitzender wurde Waldemar Christ. Als „Blaskapelle Hügel“ genoss diese Kapelle weithin einen guten Ruf. Erster großer Auftritt war bei den Heimattagen 1949.
Wiedergründung 1947
1966 übergab Heinrich Hügel die Stabführung seinem Sohn Adolf, der bei der Wiedergründung 1947 mit zwölf Jahren das jüngste Mitglied war. Schon 1962 hatte Adolf Hügel die Gründung einer Jugendkapelle angeregt, um die Zukunft zu gewährleisten. Weitere Jugendkapellen folgten. Ende der 80er Jahre wurde eine einheitliche Tracht eingeführt. Hans Schindler und Bernd Otterbach übernahmen die Nachwuchsausbildung.
Komponist und Textdichter
Neben seinem Dirigentenamt und der Ausbildungsarbeit beschäftigte sich Adolf Hügel mit Erfolg als Komponist und Textdichter. Das „Ravensteinlied“, der „Brockenmarsch“ und der „Brockenwalzer“ gehören zu seinen Werken. Zum 800-Jahr-Jubiläum von Merchingen 1988 komponierte Adolf Hügel ein neues Merchinger Heimatlied. Den Text schrieb der dichtende Schäfermeister Anton Nenninger.
1988 übernahm Hans Schindler die Stabführung des Musikvereins Merchingen. Vorsitzender wurde Bernd Otterbach. Ein neuer Wechsel erfolgte 2005. Bernd Otterbasch übernahm den Dirigentenstab. Ralf Kallab wurde Vorsitzender. 2005 war auch das Jahr eines Strukturwandels beim Musikverein Merchingen.
Im Jubiläumsjahr 2010 weist der Musikverein Merchingen folgende Mitgliederzahlen auf: Seniorenorchester 34 Mitglieder, Jugendorchester (Leitung Isabell Otterbach) 13 Mitglieder, Mini- und Ausbildungsorchester (Leitung Petra Schindler) neun Mitglieder, Flötenkinder (Leitung Hildegard und Isabell Otterbach) zehn Mitglieder und musikalische Früherziehung (Leitung Hildegard Otterbach und Melanie Walter) 20 Mitglieder.
Hinzu kommen 42 passive Mitglieder, die den Musikverein Merchingen unterstützen. cb
Quelle: Fränkische Nachrichten, Donnerstag, 14.10.2010